Zitate

Lydia Schulgina

Meine Träume haben die merkwürdige Eigenart, wahr zu werden. Und mir ist jetzt in der Tat ungewöhnlich wohl... Gott sieht, es gibt so viele Bedeutungen, die vor uns verborgen sind, man muß nur zur rechten Zeit den Kopf wenden und -da ist es, das Leben, das wirkliche, mächtige, das andere und weitaus notwendigere zur Entwicklung unsrer Seele.

Soja Krachmalnikowa

Eine glanzvolle Karriere, wie sie für junge Künstler, Bildhauer und Schriftsteller selten ist. Was war der Grund für diesen Erfolg? Außergewöhnliche Ausdauer? Talent? Antworten auf die Anfragen der Zeit? Nicht nur. Der Umzug aus Rußland in die Fremde verschärfte, denke ich, das Gefühl der Verantwortung. Verantwortung vor wem? Eine Antwort auf diese Frage habe ich nicht, nur eine Hoffnung. Eine Hoffnung darauf, daß Gott in Lydia das „Gespür für das Göttliche" geöffnet hat: das Gefühl seines derzeitigen und fortwährendes Aufenthalts - in der Welt, im Menschen, in der Zeichnung, wenn die Zeichnung mit deinem Gebet, mit der Liebe zu Gott und der Schöpfung verbunden ist.

Lydia Schulgina

Ich bin hin- und hergerissen zwischen dem Bestreben, Figuren zu formen, Reliefs zu gestalten, Glas zu bemalen, das Evangelium zu illustrieren und mir und meinem Sohn Sascha vorzulesen...

Ach, wie kurz ist der Tag! Und doch - heute wunderte ich mich - woher all dies: unzählige Reliefs, Skulpturen, Zeichnungen, Glasmalereien, dann noch Texte, Briefe und noch die Masse der gelesenen Bücher, und wie viele neue Bekanntschafien, Ausstellungen, Reisen erst!... Nein, die Zeit ist in der Tat ein relativer Begriff. Meine deutsche Zeit hat ein solches Volumen wie niemals und nirgends.

Wiktor Piwowarow

Lydia ist zu einer wunderbaren Illustratorin geworden. Besonders gefallen mir ihre frühen Bücher, in denen sie „mit Pünktchen" zeichnete. Sehr weiche, feine, von zartem Humor durchzogene Zeichnungen. Sie illustrierte Märchen von Sergej Koslov, Gedichte und Übersetzungen von Boris Sachoder, ihr gehören, wie mir scheint, die besten Illustrationen zu den Gedichten von Irina Piwowarowa. Nach und nach machte die Arbeit im Buch der freien Malerei Raum. Sie malte eine Vielzahl von Bildern zu Motiven aus dem Alten Testament; später, bereits in Deutschland, erdachte sie eine besondere Technik, bei der sie gewöhnliche Zeitungen verwendete) und begann mit Hilfe dieser Technik große Reliefs und Skulpturen mit neutestamentlicher Thematik zu gestalten. Diese Arbeiten sind sehr expressiv und verletzlich. Verletzlich aufgrund ihrer Offenheit, aufgrund von „Angst und Schauder", ihrer Angst und ihrem Schauder, derer sie den Zuschauer in solch einer rührenden Schutzlosigkeit teilhaftig werden ließ. Wir standen in Briefwechsel; jeder ihrer Briefe -die, von allem anderen abgesehen, ihre außerordentliche literarische Begabung offenbaren - ist ein kleines Seelenwunder.

Lydia Schulgina

Bin durch die gesamte Umgebung gefahren, habe barocke Musik gehört und mir die von unserer bescheidenen nördlichen Sonne erleuchtete Sauberkeit und Schönheit angesehen. Und dachte -Gott, wie ist meiner Seele diese Weltordnung genehm, wahrhaft vom Wort „Ordnung". Das Auge, und mit ihm die Seele, ruht aus angesichts dieser sauberen, gewaschenen Felder, Bäume, Häuser, Tiere. Und angesichts der Menschen gleichermaßen. Und nichts anderes braucht man! In dieses verlorene Paradies der barocken Kunst und des Lebens in der Natur zurückzukehren!

Alexandra Iwanowa-Anninskaja

Die Fähigkeit, glücklich zu sein, wird den Menschen von oben her verliehen, und zwar nur wenigen. Lydia Schulgina besaß diese kostbare Gabe.

Lydia Schulgina verstarb in Pinneberg am 27. Dezember 2000, im Alter von 43 Jahren. Um sie auf dem letzten Weg zu begleiten, erschienen ungewöhnlich viele Menschen. An ihrem Sarg saßen und standen auf gebeugten Knien von ihr geschaffene weiße Skulpturen.

Lydia Schulgina

All das ist das Präludium zu meinem Hauptgedanken. Alles, was von mir - der ehemals Schönen, Starken, Allmächtigen - übrigbleibt, ist das Wissen.

Das Wissen darum, daß nichts etwas wert ist, außer der Möglichkeit normal „in dem eigenen Körper zu wohnen". Alles übrige ist Blödsinn, welcher bis an jene schreckliche Grenze führen kann, da das Leben zur diesseitigen Hölle wird, zu einer Hölle, im Vergleich zu der die danteschen Qualen nichts als liebe Vergnügungen sind. Mein Gott, wie viele zerstörerische Taten, Gedanken, Tage habe ich für : unnötige Regungen des Gemüts aufgewendet. Alles hinauswerfen, alles zum Teufel! Man muß so leben, daß man das Quietschen unserer erdrückten Leiber hören kann, denn sonst rächen sie sich, und zwar auf furchtbarste Weise. Und wie gleichgültig wird dann, wer du bist, mit wem du bist; und wie wünscht man sich nur das eine - daß es keinen Schmerz gäbe! Eine Nacht Schlaf, einen Tag ohne Schmerz! Und das ist die Summe allen Strebens im Leben des gerächten Leibs...

Warum erfahren wir das erst in solch einem schrecklichen Danach, wenn alles bereits geschehen, nichts mehr zu ändern ist? Im übrigen aber lebe ich und mache Ausstellungen. Das ist das einzige, was ich jetzt tun möchte -wenn ich aufstehen kann. Aber das ist eine andere Geschichte.

Lydia Schulgina

Ich nahm an einer Ausstellung mit Wettbewerb teil. Und ich war schon damit glücklich, daß meine Arbeit aufgenommen wurde - aus 540 sind bloß 33 ausgewählt worden. Darunter auch meine -„Die Kreuztragung". Ich öffne den Briefumschlag und hole prächtige Einladungskarten hervor... mit meinem Jesus darauf. Wundervoll photographiert und gedruckt. Und dann ist noch ein Papier darin, und ich bin unter den vier Preisgekrönten aufgeführt. Das ist der Lohn für alle Aufregungen, Ängste usw., die ich hier erlebt habe. Fast möchte ich vor Glück weinen Sogar nicht bloß mein umschmeichelter Ehrgeiz, sondern ein anderes, mir wichtigeres Gefühl nährt sich von diesem Erfolg: das, was ich mache, ist richtig und Gott ist dem gewogen. Das bedeutet, daß alles, was ich im Leben „geschafft und geschaffen" habe, alles, was mich an diesen Ort, zu dieser Skulptur hin geführt hat, gar nicht so verkehrt war, wie es uns allen oft erscheint in der Rückschau der verlebten Jahre.

Michael Friedmann

Bis zu den letzten Tagen deines Lebens hieltst du vor deinen Eltern verborgen, was vielen bekannt war: deinen immerwährenden Kampf mit dem todbringenden, immer schwereren Leiden. In den letzten fünf Jahren beschenktest du uns nur mit Erfreulichem - mit Begegnungen, Ausstellungen, neuen Figuren, Auszeichnungen, mit Erfolgen des Ehemanns und des Sohnes, mit Reisen zu Freunden. Fünf Jahre lang behütete deine heilige Lüge unser verarmendes Alter. Vielleicht hat dies uns geholfen, den Abschied von dir zu überleben. Und auch der Gedanke daran, daß wir verpflichtet sind, zusammen mit deinem Ehemann dein Erbe zu bewahren. Wir werden unsere Pflicht erfüllen. Das hast du uns gelehrt.